Ok, dann halt nicht.
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Habe mich in letzter Zeit etwas durch das Anime-Angebot auf Netflix gewühlt. Ich bin bei diesen Produktionen sehr wählerisch, da ich gewisse Stilmittel wirklich nicht mag (zu unpassenden Momenten schreien, künstlich-steife Dialoge, zuviele Erklärungen in den Gesprächen etc.). Aber hier habe zweimal Gold gefunden, absolut empfehlenswerte Filem durch und durch.
Your Name.
Ich habe den Film nur auf meine Liste gepackt, weil er mich visuell beim Stöbern angesprochen hatte. Nachdem ich ihn zu Ende geschaut hatte und ein paar Zusatz-Infos im Netz danach suchte, fand ich heraus, dass es weltweit ein riesiger Hit war, einer der erfolgreichsten Anime aller Zeiten und ein (würg) Hollywood-Remake in Arbeit ist. Habe ich alles so gar nicht mitgekriegt und wenn ich nicht per Zufall drüber gestolpert wäre hätte ich mir ihn wohl nie angesehen. Oder vielleicht nur das US-Remake...
So oder so, das war einer der besten Animes die ich je gesehen habe. Die Ausgangssituation ist wenig originell (Junge und Mädchen tauschen die Körper) aber die vergleichsweise lange Laufzeit verrät, dass hier mehr dahintersteckt. Ich will nicht zu viel verraten aber der Film entwickelt sich viel weiter als man es anfangs annehmen könnte und der Twist hat mir kurz den Atem weggenommen, so meisterlich wurder der umgesetzt und inszeniert.
Optisch ist der Film ein Hochgenuss erster Klasse. Das Charakterdesign erfindet das Rad zwar nicht neu, ist aber charmant – das Highlight sind jedoch die wirklich verschwenderisch detaillierten Landschaften und Hintergründe, bei denen sogar die schönsten Disney-Filme vor Neid erblassen würden. Auch die Animationen können sich sehen lassen, was gerade bei Animes (ironischerweise) nicht immer der Fall ist.
Natürlich ist das Gezeigte hier und da ein bisschen kitschig und die Gesprächsführung wie bei Animes gewohnt manchmal etwas steif und künstlich. Aber das ändert wirklich nichts daran, dass Your Name. ein absolutes, wunderschönes, emotionales Meisterwerk ist. Den habe ich mir definitiv nicht zum letzten Mal angesehen und werde ich mir demnächst sicherlich für die Sammlung auf BluRay holen.
Whisper of the Heart
Eine von Ghibli produzierte coming-of-age Geschichte die sich Mitte der Neunziger Jahre abspielt. Auch dieser Film hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Geschehnisse sind bodenständig und realistisch, eine Spannungskurve mit Twists gibt es nicht. Der Film zeigt einen kurzen Abschnitt im Leben einer noch jungen Teenagerin, mit allen Hochs und Tiefs, die diese Phase des Lebens mit sich bringt. Eltern, die man nicht versteht und einen nicht verstehen wollen, aber trotzdem immer für einen da sind. Ältere Geschwister, die sehr provokativ und besserwisserrisch rüberkommen, es im Kern aber gut meinen. Der Wunsch, seine Bestimmung zu finden aber gleichzeitig das Gefühl zu haben, dass die anderen Leute einem davonlaufen weil sie ihren Weg schon gefunden haben. Und natürlich die Liebe, mit der man nicht umzugehen weiß.
Beeindruckend fand ich die Authentizität des Gezeigten. Typische over-the-top Anime-Momenten gibt es quasi keine, der Film ist in seiner Darstellung des richtigen Lebens so überzeugend, dass man irgendwann vergisst, dass es ein Zeichentrickfilm ist. Durch das sehr entschleunigte Tempo hat dieser Aspekt auch ausreichend Zeit sich zu entfalten. Wie schon erwähnt existiert keine Spannungskurve oder ein klassische Handlung im engsten Sinne, d.h. die Highlights findet man in kleinen Momenten, etwa der meiner Meinug nach wunderschönen Gesangs- und Musikeinlage (nein, nicht wie bei Disney) im Atelier des Antiquitätenhändlers.
Zwei Figuren aus Das Königreich der Katzen haben auch hier einen Auftritt, aber in anderer Form (Der Baron als Deko-Figur, Muta als normale, nicht-sprechende Katze). Vielleicht bedeutet das, dass die Protagonistin aus Whisper of the Heart ihren Traum erfüllen konnte und Schriftstellerin wurde und die Katzen-Geschichte eines ihrer Bücher ist? Interessante und charmante Idee, die beiden Filme zu verknüpfen, von denen einer ein Fantasy-Streifen ist und der andere durch und durch in der Realität verwurzelt bleibt.
Man muss sich an einem ruhigen Abend Zeit für den Film nehmen, wird aber belohnt. Ich habe glaube ich kaum bessere, authentischere Filme über das Erwachsenwerden gesehen, ob gezeichnet oder geschauspielert.